Im Reich der Knochenbrecher
Welcher Natur- und Vogelfotograf träumt nicht davon, Bartgeier in seinem natürlichen Lebensraum zu beobachten und sogar zu fotografieren? Schon nach meiner Kranichtour in Spanien Februar 2023 beschloss ich, mit Joachim Griesinger "Reisen in die Natur" die Reise zu den Knochenbrechern in die spanischen Pyrenäen zu buchen. Aber nicht nur die Bartgeiern waren das Ziel der Begierde, auch die raue und schöne Landschaft in den Pyrenäen Kataloniens, sowie andere interessante und seltene Vogelarten wollten entdeckt und festgehalten werden.
Inhalt:
- Buseu, unsere Unterkunft auf 1300 Meter Höhe
- Unter Geiern, drei Geierarten am Geierfütterungsplatz auf 1500 Meter Höhe
- Die Geier in Europa kehren zurück
- Bartgeier, ein Vogel der sich schminkt
- Am Steinadler-Versteck
- Montsonis, unsere zweite Station am Rande der Pyrenäen
- Zwei Tage Ansitz an einer Vogeltränke
- Nachtrag
- Für die Fotografen
Buseu, unsere Unterkunft auf 1300 Meter Höhe
Auf 1300 Meter Höhe lag unsere erste Station. Der Weg hoch abenteuerlich. Ein paar verfallene Häuser auf einem Plateau. Das wars. Eins wurde aber liebevoll restauriert. Mit modernen sanitären Einrichtungen und moderner Küche. Eine wirklich schöne und liebevoll eingerichtete Pension mit rustikalem Flair. Die Besitzer, ein katalanisches Ehepaar, versorgte uns abends mit leckerer katalanischen Küche. Dazu stand natürlich immer eine Flasche Rotwein aus der Region auf dem Tisch.
Morgens, wie immer auf den Ansitz-Touren, ging es früh raus. Was für ein Anblick erwartete uns beim Aufgehen der Sonne, siehe Bilder. Und dann die Ruhe und Stille, nur kurz unterbrochen vom Gesang der Zippammer und dem Fichtenkreuzschnabel. Am Abend kamen Hirsche dicht an unsere Unterkunft heran.
Die Station ist auch Ausgangspunkt für wissenschaftliche Untersuchungen der Geierpopulationen in der Region. Circa 300 Meter höher lagen die Fotoverstecke für die Geier. Mehr hierzu, siehe unten.
Rund um, eine Location der Extraklasse für Naturliebhaber, oder alltags gestresste Personen.
Unter Geiern - Drei Geierarten am Geierfütterungsplatz auf 1500 Meter Höhe
In Europa gibt es vier Geierarten. Alle vier sind auch in Spanien anzutreffen. Und alle vier können am Geierfütterungsplatz in Buseu beobachtet werden.
Der häufigste Geier, ist der Gänsegeier. Mit einer Flügelspannweite von 2,65 Meter ist er der drittgrößte in der Geierfamilie. Gänsegeier sind meist die ersten am toten Tier. Zänkisch versucht jeder seinen Anteil am Festmahl zu bekommen.
Der Mönchsgeier mit einer Flügelspannweite von 2,85 Meter ist nicht so zahlreich vertreten. Der Mönchsgeier hat den stärksten Schnabel aller Geier. Mit ihm kann er auch die Bauchdecke von toten Tieren öffnen.
Die kleinste Geier Art ist der hübsche Schmutzgeier mit einer Flügelspannweite von 1,50 Meter. Ihn konnte ich leider nicht fotografieren, da dieser Vogel erst im April aus seinem Winterquartier aus Nordafrika kommt. Dieser Geier frisst so gut wie Alles was übrig bleibt. Daher auch sein Name. Allerding nicht die Knochen, die bleibt der letzten Geier Art vorbehalten.
Den Bartgeier behandle ich, aufgrund seiner Besonderheit ausführlicher, siehe unten.
Die Geier in Europa kehren zurück
Noch vor 40 Jahren waren Geier in Europa so gut wie ausgestorben. Dies hatte viele Gründe.
Ein schlechter Ruf
Geier gelten immer noch für viele Menschen als hässlich und unappetitlich. Sicherlich schreckt ihre Vorliebe tote Tiere zu verzehren ab. Auch der kahle Kopf vom Gänsegeier wird als unschön empfunden.
"Man liebt nur, was man kennt, man schützt nur, was man liebt." Konrad Lorenz
Aberglaube und Jagd
Lämmergeier wurden noch vor 50 Jahren verdächtigt, Tiere zu töten und kleine Kinder zu rauben. Eine erbarmungslose Jagd dezimierte sie, bis zur Ausrottung in den Alpen. Heute werden sie wieder aufwendig angesiedelt. Auch in Deutschland dürfen wir uns seit drei Jahren an Bartgeier im Berchtesgadener Land erfreuen.
Umweltgifte
Das Pflanzenschutzmittel DDT trifft besonders die Tiere wie Adler, Geier die am Ende der Nahrungskette stehen. Vor 50 Jahren wären so beinahe alle Greifvögel und Geier von der Bildfläche verschwunden. 1971 wurde das Gift weltweit verboten.
Fehlende Nahrung
Geier sind Nahrungsspezialisten. Sie können nicht selber Beute machen, sondern sind auf tote Tiere angewiesen. Und das ist auch von der Natur so gewollt. Geier sind die Gesundheitspolizisten in einer natürlichen Umwelt. Ohne Geier würden Tierkadaver unkontrolliert verwesen und somit das Grundwasser verseucht und gefährlichen Bakterien freien Lauf gewährt.
In vielen Länder wurde aber die Nahrungsgrundlage für Geier entzogen. Scharfe Richtlinien in Europa, besonders nach dem BSE-Seuche, besagen, dass totes Weidevieh sofort beseitigt und entsorgt werden muss. Vor 30 Jahren lockerte Spanien diese Verordnung in einigen Gebieten. Die Geier kamen so langsam wieder zurück. Vorteile für die Viehzüchter gibt es auch. Sie brauchen nicht mehr teuer und mit viel Co2 Aufwand ihre Tiere Entsorgen. Es gibt vielerorts einen Abholservice, der die toten Tiere an bestimmten Fütterungsplätze bringt. So ist Spanien mittlerweile das Land mit der höchsten Geierpopulation in Europa.
Bartgeier, ein Vogel der sich schminkt
Nun kommen wir zu den Stars auf meiner Reise. Die Bartgeier sind mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,95 Meter die größten fliegenden Vögel in Europa. Nur wenige Vögel auf der Welt übertreffen seine Flügelspannweite. So der Andenkondor mit 3,20 Meter und der Wanderalbatros mit 3,50 Meter.
Der Bartgeier war in den europäischen Alpen schon verschwunden. Nur in den Pyrenäen gab/gibt es eine stabile Population. Allerdings steht sie auch auf wackligen Füßen. In den letzten drei Jahren wurde um der Region Buseu nur drei Jungtiere flügge. Der stagnierende, rückläufige Rückgang konnte noch nicht geklärt werden.
Was macht diesen Vogel so besonders? Die Größe und Seltenheit habe ich erwähnt. Aber es gibt noch zwei weitere einzigartige Besonderheiten.
Er kommt als letzter Geier zum Futterplatz, dann wenn alle anderen Geier satt gefressen sind und nur noch die Knochen den Boden übersähen. Kleine Knochenteile, bis zu einem Schafsbein, schluckt er im Ganzen herunter, siehe auch Bild unten. Mit größeren fliegt er zu bestimmten Felsen, auch Knochenschmieden genannt. Aus großer Höhe lässt er sie fallen, um dann das zerschmetterte Material, Knochenmark und Knochensplitter, zu fressen. Einmalig in der Vogelwelt.
Die nächste Besonderheit sieht man auf den Bildern. Die rot/orange Brustfärbung ist nicht genetisch angeboren, nein sie wird extra aufgetragen. Der Bartgeier (Männchen sowie auch Weibchen) suchen hierzu eisenhaltige Tümpel auf, um ihre Brust darin zu tränken. Auf den Bildern ist ein Vogel zu sehen, der dies, wie auch immer, nicht getan hat. Die Brust ist bei ihm schneeweiß.
Mit der Fütterung der Bartgeier in Buseu wird geholfen, den Bestand stabil zu halten. In keiner Region Europas kann man so viele Bartgeier auf einmal beobachten. Bis zu 25 Tiere kamen über den Tag hinweg. Was für ein Erlebnis.
Am Steinadlerversteck
Der zweitgrößte Adler Europas, mit einer Flügelspannweite von 2,20 Meter, ist der Steinadler (im englischen Golden Eagle). In Deutschland gibt es nur noch wenige Brutpaare im Berchtesgadener Land. Früher war er in ganz Deutschland anzutreffen.
In der Nähe vom Quartier ist auch das Revier eines Steinadler Pärchens. Aus einem verspiegeltes Versteck konnten diese beobachtet werden. Was für ein Ausblick in die Landschaft, siehe auch Bilder. Ein kleiner Wunsch von mir, diese majestätischen Vögel zu fotografieren wurde war. Auf den Bilder erkennt man seine goldene Halskrause, die ihm den englischen Namen gab.
Montsonis, unsere zweite Station am Rande der Pyrenäen
In einem kleinen malerischen Ort mit einer mittelalterlichen Festung, dann unsere zweite Station. Die Region Lleida, an den Vorläufern der Pyrenäen ist ein beliebtes Wandergebiet. Leider konnte ich nicht viele Bilde von der Landschaft erstellen. Am späten Nachmittag kamen wir an. Die Tage drauf wurden wir vor Sonnenaufgang zu unseren Hides gefahren und bei der Rückkehr am späten Nachmittag lag der Ort im Nebel. Die Region Llieda ist auch bekannt für hartnäckigen Nebel im Winter.
Zwei Tage Ansitz an einer Vogeltränke
Um 6 Uhr wurden wir abgeholt. Die Tage begannen morgens mit dichtem Nebel. Noch im Stock Dunklem erreichten wir unser Fotoversteck am Rande einer Tränke. Stativ aufbauen, Ausrüstung verstauen. Routine für uns, siehe auch Beschreibung hierzu auf meiner Kranich-Tour, "Kraniche in Spanien". Ein totes Kaninchen und ein bisschen Hühnerfleisch wurden vom Ranger ausgelegt. Entspannen und warten, bis es hell wird. Plötzlich dann aus dem Nebel erschien ein Habicht, ein Jungtier. Zu erkennen an der gescheckten Brust. Kurz darauf ein ausgewachsenes Männchen. Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Rohrweihe, Bussard, Grasmücken und vieles mehr. An die 20 Vogelarten konnten wir beobachten und zum Teil herrlich ablichten. Bis zur Abholung am späten Nachmittag kam keine lange Weile auf.
Auch das Versteck war verspiegelt. Ein Problem, wenn die Vögel beim Baden zu dicht an die Scheibe herankamen und sie bespritzten. Dies geschah plötzlich und unerwartet, als circa 300 Stare kollektiv ein Bad nahmen, siehe letztes Bilder unten.
Nachtrag
Es war eine erlebnisreiche Tour, mit vielen schönen Momenten und reichlichen Möglichkeiten für tolle Bilder von Geier, Adler und Co. Die fachliche und organisatorische Leitung ließ keine Wünsche übrig. Leider blieb mir auch dieses mal zu wenig Zeit, die grandiose Landschaft und Umgebung zu fotografieren. Dies wäre aber ein Thema für eine separaten Tour.
"Für uns Naturfotografen sollte es wichtig sein, nicht nur heile Welt darzustellen, wir müssen auch auf den Erhalt achten und auf die Missstände hinweisen." Dirk Gildemann
Bei aller Schönheit der Natur, der grandiosen Landschaft und dem angenehmen Wetter, gibt es auch nachdenkliche Anmerkungen. Die Temperaturen lagen für die Jahreszeit in der Region viel zu hoch. Der Schnee auf den Bergen entsprach nur einem Bruchteil von den üblichen Wintern. Niederschläge im Herbst und Winter sind zum großen Teil ausgeblieben. Die Talsperren sind erbärmlich leer. In den Nachrichten bekamen wir mit, dass Katalonien den Wassernotstand zu der Zeit ausgerufen hat. Wasser wird rationiert. Der Klimawandel schlägt besonders in Spanien hart zu. Wie mag die Pflanzen- und Tierwelt in der nahen Zukunft darauf reagieren?
Für die Fotografen
Welche Ausrüstung hatte ich mit?
- Canon R5 und 5D IV
- 500mm, f4 Festbrennweite
- 70-200mm f2,8 Zoom-Objektiv
-1,4x und 2x Telekonverter
- 24-105mm Standard-Zoom
- Stativ mit Gimbal
- Jede Menge Speicherkarten und Ersatz-Akkus
- Laptop und externe Festplatte zur Datensicherung
Meine Erfahrungen mit verspiegeltem Glas ist positiv. Es gibt keine gravierenden Einschränkungen. Die Scheiben werden vor dem Ansitz gründlich gereinigt und sind in einem Top-Zustand.
Langes Ansitzen erfordert Geduld und Ausdauer. Die Bestuhlung waren bequem. In den Hütten konnte man auch stehen. Ein Komfort, der nicht selbstverständlich ist. Trotzdem ist bei einer so langen Zeit auf die richtige Bekleidung zu achten. Lieber mehr und im Laufe des Tages ablegen ist meine Devise. Nichts ist schlimmer als kalte Füße. Warmes Schuhwerk und ggf. eine Isomatte kann helfen.
Mit meiner 500mm Festbrennweite war ich oft am Limit. Gerade bei Flugaufnahmen der Geier und dem Steinadler, kam ich an die Grenzen. Ein zweites Objektiv mit weniger Brennweite, wie das 70-200mm in Kombination mit einem Telekonverter, ist hier hilfreich.
Stativ sollte man bei 8 Stunden Ansitz dabei haben. Nur aus der Hand, wäre doch sehr anstrengend.
Für die Landschaft-Fotografie tat mein Objektiv 24-105mm sein Bestes. Sollte weniger Brennweite erforderlich sein, so habe ich ein Panorama erstellt. Die Einstellungen für Landschaft immer klassisch, Blende f8 und ISO 100.
Meine Art zu fotografieren:
Ich liebe es bei der Vogelfotografie offenblendig zu fotografieren. Das ist aber auch Geschmackssache. Einige meiner Kollegen wünschen sich in ihren Bildern mehr Tiefenschärfe. Ich stelle bei meiner Canon auf das Menü FV. Kommt der MV Einstellung gleich. Hier kann ich schnell auf den Zeit-, oder Blenden-Modus springen und Anpassungen vornehmen.
Einige Bilder habe ich vorher im Kopf und arbeite gezielt darauf hin, wie zum Beispiel die Flugbilder vom Bartgeier. Ruhig sich Zeit nehmen und das Treiben drum herum für eine Stunde ignorieren.
Bei Flugaufnahmen gehe ich kompromisslos auf elektronischen Verschluss und alles was die Kamera kann, bei der Canon R5, 20 Bilder in der Sekunde.
Jeden Abend erstelle ich eine Datensicherung, sicher ist sicher. Es gibt immer Bilder am Tag, die macht man nie wieder.
Bild von mir, danke an Markus Kotzanek