Warum tut man sich das an?


Vorbereitung für einen Tag in der Natur

 

Um 4 Uhr morgens klingelt der Wecker, minus 10 Grad. Jetzt schnell Zähneputzen und die Zwiebelkleidung anziehen. Meine Fotoausrüstung habe ich schon am Abend gepackt. Trotzdem, nochmal nachschauen, habe ich alles dabei? Akkus, Speicherkarten und die Kamera mit dem Objektiv? Dann mit allem, samt dem Winterschlafsack und Lunchpaket zum Parkplatz. Der Ranger wartet schon. Wir starten zu einem Fotoversteck auf 1800 Meter Höhe. Die Anfahrt auf den letzten 3 Kilometer abenteuerlich. Schlaglöcher, steile Passagen, Räder drehen durch und im Schein der Scheinwerfer die kahlen mit Moos bedeckten Steineichen. Zum Glück gab es in der Nacht keinen Schnee, sonst hätten wir die letzten 2 Kilometer zu Fuß laufen müssen. Angekommen und gleich in die verspiegelte Hütte. Der Ranger legt paar Fleischtücke an ausgewählten Stellen aus. Wir richten uns im Schein unserer Stirnlampe ein. Stativ aufbauen, Kamera drauf und wichtig, die Voreinstellung der Kamera justieren. Der Ranger verlässt mit seinem Jeep den Ort und wir warten im Dunklen auf die Dämmerung. Ein Schatten huscht am Felsen vorbei. Ich konnte ahnen, es ist ein Fuchs. Die Tiere kennen das Geräusch vom Jeep und wissen, jetzt gibt es bestimmt etwas zu holen. Aber es könnte auch ein Wolf gewesen sein? Ein Fotokollege hat ihn an dieser Stelle schon einmal einen erwischt und der Ranger zeigte uns ein Tag vorher ein Video einer Wildkamera vor Ort, in dem der Wolf schnüffelnd an der Hütte vorbeizog. Die Spannung steigt von Minute zu Minute. Es wird heller. Die ersten Blauelster sind da. Und jetzt sehen wir, wo wir gelandet sind. Wow, was für eine Kulisse. Schneebedeckte Berge im Hintergrund. Es ist angerichtet für ein erlebnisreichen Tag mitten in der Natur.

Warten auf den Steinadler

 

Nun geht es Schlag auf Schlag. Blauelster, Kolkrabe und Elstern sind die Ersten. Dann kommen die schnellen und farbenprächtigen Rotmilane im Sturzflug angeflogen. Mit ihren langgezogenem Pfeifen kündigen sie sich an. Herrliche Momente konnte ich festhalten. Die Lichtstimmung ändert sich ständig. Aber kommt der Steinadler?

Nein er kam an dem Tag nicht.

Am nächsten Tag wieder hoch. Wieder das gleiche Schauspiel. Den Steinadler haben wir schon abgeschrieben. Und plötzlich sah ich einen großen Schatten seitlich ankommen. Ein weibliches Tier mit einer Flügelspannweite von 2,20 Meter landete auf einer Wurzel. Was für ein schönes Tier. Keine grelle Sonne. Das Licht perfekt. 17 Minuten blieb das Tier in der Nähe unserer Hütte. Wechselte die Standorte, sodass wir reichliche Möglichkeiten hatten den Vogel zu fotografieren.

Naturfotografie ist keine Zoo-Fotografie

 

Wir hatten Glück. Am nächsten Tag schlug das Wetter um. Dauerregen und Wind. Da das Fotoversteck verspiegelt war, wäre es unmöglich gewesen, dort zu beobachten und zu fotografieren. Aber so ist halt Naturfotografie. Es gibt nicht immer Erfolge, so wie mit dem Steinadler und Co am Vortag. Viele Touren enden, ohne wirklich etwas zu sehen, geschweige zu fotografieren.

Zweifel am Hobby

 

Oft kommen Zweifel auf, warum tue ich mir das an? Ich verbringe viel Zeit in der Natur, sitze oft in dunklen, unbequemen, kalten Verstecken, oder stehe stundenlang am Wegesrand. Ich trotze Hitze, werde vom Regen überrascht, im Winter kämpfe ich mit kalten Finger. Zudem schleppe ich meine schwere Ausrüstung über Stock und Stein. Manchmal vergehen Tage, ohne etwas zu sehen oder zu fotografieren. Und wenn, es kommen nicht immer schöne Bilder dabei heraus. Zudem ist es kein billiges Unterfangen. Die Ausrüstung ist gerade für diese Art der Fotografie sehr anspruchsvoll. Die Reisen zu den letzten Hotspots der Naturfotografie, haben auch ihren Preis. Anerkennungen sind rar. Gelegentlich mal ein höffliches „ist ja schön“, manchmal aber auch ungläubige Blicke. Geld kann ich nicht damit verdienen. 

Fotowettbewerbe?

 

An Fotowettbewerben nehme ich grundsätzlich nicht teil. Naturfotografie kann man nicht fair beurteilen. Außerdem sehe ich, dass einige gezielt für Wettbewerbe fotografieren. Das ist nicht meine Welt. Ich fotografiere, weil ich die Natur liebe. Ich möchte mit meiner Naturfotografie meinen Blick zeigen und begeistern und wenn ich damit ein paar Menschen erreiche, hat es sich gelohnt.

Trotz alledem 

 

Und trotzdem ist es für mich eine erfüllte Beschäftigung. Wenn ich vor Sonnenaufgang im Moor stehe und eine Gruppe von Kranichen zieht trötend über einen hinweg, wenn ich beim stundenlagen Ansitzen die Verhaltensweisen der Tiere lesen lerne und somit mein Verständnis über den Kreislauf der Natur verstehe, gibt es bei mir eine tiefe Zufriedenheit. Und wenn ich dann irgendwann doch ein Foto schieße, das die Natur in seiner vollen Schönheit zeigt, wie zum Beispiel ein Flügelschlag von einem Vogel im Gegenlicht, wie er nur mit moderner Kameratechnik sichtbar wird, oder der Blick eines Iberischen Luchses in sein Revier am frühen Morgen, oder der Sonnentau am späten Nachmittag, hat sich der Aufwand  gelohnt. Auch fördert das Hobby den Erhalt der körperlichen und geistigen Fitness.

 

 

Mein Rat

 

An alle meiner Naturfotografenkollegen/innen, oder die, die es werden wollen. Bleibt am Ball. Lasst euch nicht demotivieren. Am Ende gibt es nichts Schöneres in der Natur die Freiheit und die besonderen Momente zu erleben und zu genießen.

 

 

Euer Dirk Gildemann