"Alte Liebe rostet nicht"
Objektive aus der analogen Zeit auf digitale Spiegelreflex-Kamera adaptieren
Seit vor 15 Jahren die Spiegelreflexkamera auch Digital wurde, gab es bei der Entwicklung von neuen Objektiven bei den Herstellern kein Halten mehr. Jeder rüstete auf:
- Auto-Fokus wurde Standard und immer präziser und schneller
- der Bildstabi zählt heute beim Standardobjektiv dazu, wie das Amen in der Kirche
- die Vergütung der Linsen wurde verbessert und somit damit auch die Lichtstärke beeinflusst
- das Gewicht nimmt durch ständige Materialoptimierungen ab
Alles gut! Wir geben ständig viel Geld aus für immer besser werdenden Objektiven und glauben fest daran, dass unsere modernen Kameras nur mit solchen neuen Objektiven funktionieren. Mittlerweile entwickelt es sich auch zu einer wahren Materialschlacht. Wenn Canon für seine neue 5D Mark IV empfiehlt, die neusten Objektive hierfür zu verwenden, dann kommt man so langsam ins Zweifeln, ob wir Otto-Normalverbraucher diesen Trend ständig folgen sollten. Nun gut. Ich bin absolut kein Verneiner und Skeptiker neuer Techniken. Im Gegenteil, ich stelle mich gerne den neue Herausforderungen. Und ehrlich, den Auto-Fokus mit der AI-Servo-Funktion kann und möchte ich bei der Vogelfotografie nie mehr missen.
Vor kurzen stieß ich mehrmals auf Berichte in Fotografen-Internet-Foren, bei denen es darum ging, Objektive aus der analogen Zeit auf die digitale Spiegelreflex zu schrauben. Geht das so einfach, fragte ich mich? Wie und was muss ich beachten? Die in den Berichten abgebildeten Bilder waren klasse, also warum nicht?
Hierzu nun meine gesammelten Erfahrungen, mit den unten genannten Objektiv. Ich hoffe es hilft auch euch weiter, eure alten Schätze zu reanimieren.
Meine alte Ricoh TLS 401 mit einem starken Objektiv
Als mein Sohn ein Jahr wurde, beschloss ich mir eine Spiegelreflex-Kamera zu kaufen. Das war im Jahr 1976. Es gab im Sommer die Olympischen Sommerspiele und Neckermann nahm dies zum Anlass, die Ricoh TLS 401 mit einem 55mm, f1,4 von der Firma Rikenon für einen guten Preis anzubieten. Ich schlug zu und habe diesen Kauf nie bereut. Zigtausend Bilder, hauptsächlich DIA-Positive, entstanden in bester Qualität. Mein Hobby zum Fotografieren wurde so noch mehr gefestigt. Die Kamera hatte zwei Goodies, die zu der Zeit revolutionär waren. Einen umschaltbaren Sucher (seitlich und von oben), siehe Bild unten und einen elektrisch betriebenen Belichtungsmesser, mit einer Quecksilber-Knopfzelle betrieben. Das Gehäuse ist solide aus Metall gefertigt.
Aber das Herzstück ist das Objektiv. Auch aus Metall edel gefertigt. Tolle Haptik und die Qualität der Optik ist top. Anschluss allerdings noch mit M42-Gewinde.
Ja, und seit 15 Jahren verstaubt meine alte Liebe in einer Schublade. Gottseidank ist sie noch nicht der Aufräumwut meiner Frau zum Opfer gefallen.
Nun habe ich sie aus dem Schneewittchenschlaf herausgeholt und werde mir das Objektiv vorknöpfen. Das Objektiv wird sich dem Vergleich mit meiner Canon-Festbrennweite 50mm, f1,8 stellen. Alle Bilder sind mit meiner Canon 5D Mark III aufgenommen worden.
Was ist zu beachten bei der Adaptierung auf die Canon 5D Mark III?
Der Adapterring
Grundsätzlich ist fast alles adaptierbar, mit entsprechenden Adapterringen, die es für wenig Geld bei Amazon zu kaufen gibt. Achtung! Es ist zu beachten, dass die Optik nicht ins Gehäuse ragt. Dies führt dazu, dass der Spiegel beim Auslösen an der Linse anstößt. Nicht schön, wie ihr es euch denken könnt. Bei meinem Objektiv ragt die Optik im Unendlich-Bereich ca. 0,4mm in das Gehäuse, siehe Bild unten. Meine Festbrennweite von Canon 50mm f1,8 übrigens auch um ca. 0,2mm. Kein Problem also für den Spiegel bei diesem Objektiv, zumal ich nie auf "Unendlich" stelle! Sollte der Betrag bei anderen Objektiven zu groß sein, gibt es auch noch die Möglichkeit des Freelensing´s. Dieses Thema behandele ich aber demnächst separat.
Back to the roots
Das zweite Problem ist, dass uns nicht mehr der Auto-Fokus zur Verfügung steht. Also back to the roots und manuell fokussieren. Das ist schon eine Umstellung. Aber seht es auch positiv. Ihr lernt wieder mehr, den Schärfepunkt besser zu definieren. Im Vergleich gibt es paar Beispiele, siehe unten. Hier hilft auch oft die Liveview-Funktion zum perfekten Scharfstellen. Die Handhabung bedarf allerdings mehr Zeit. Aber wir beschäftigen uns intensiver mit dem Bild und dem Bildaufbau. Zudem ist es für mich kein Allround-Objektiv. Ich benutze es für ganz spezielle Situationen (Portrait- Gegenstands- Makrofotografie). Hier bedarf es eh eine gewisse Vorbereitung. Für Straßenfotografie wäre es für mich nicht geeignet.
Der Vergleich zu meinem Objektiv Canon 50mm, f1,8 in Zahlen
Brennweite
maximale Blendenöffnung
kleinste Blendenöffnung
Filtergewinde
kürzester Schärfe-Abstand
Gewicht
Material Gehäuse
Anschlussart
Optik zum Gehäuse
Autofokus
Preis
Rikenon
55mm
f1,4
f16
55mm
ca. 0,45m
340g mit Adapterring
Metall
M42-Gewinde
0,4mm plus
nein
40 - 80,- €
Canon
50mm
f1,8
f22
52mm
0,45m
100g
Kunststoff
Canon-Bajonett
0,2mm plus
ja
110,- €
Die Vergleichsbilder
Nun kommen wir zum praktischen Vergleich der beiden Objektive. Der ist von mir pragmatisch und praxisnah aufgebaut. Was für mich zählt ist das Ergebnis, wie ich die Bilder wahrnehmen!
Die ersten Bilder widmen sich dem Offenblendenbereich (und hier werde ich das Objektiv auch hauptsächlich anwenden). Blumen, Portraits und Gegenstände.
Im zweiten Gang werde ich auch die Fähigkeit für Landschafts- und Architekturaufnahmen ergründen, also bis auf f8 abblenden.
Der Offenblendenbereich f1,4 vs. f1,8
Rikenon
Canon
Blumen-Fotografie
Ich habe bei beiden Objektiven manuell fokussiert (auf Stativ und mit Liveview scharfgestellt). Die Grundeinstellung stand auf AV. Da ich mit RAW-Format speichere, habe ich die Aufnahmen mit Lightroom nachbearbeitet. Bei beiden Bildern lag eine Vignettierung vor (dunkel, bei dem Canon-Objektiv etwas ausgeprägter). Mit der Objektivkorrektur wurde diese problemlos korrigiert. Hiernach habe ich immer die gleichen Anpassungsparameter genommen (Lichter leicht raus -18, Weiß- und Schwarzpunkt leicht angepasst, Dynamik auf +18 erhöht, nachgeschärft auf +60 und leicht maskiert +60).
Der erste Vergleich zeigt schon einen Unterschied. Bei dem Rikenon-Objektiv wirkt das Bukeh sanfter, die Farben nicht so satt und die Klarheit nicht so knackig wie bei dem Canon-Objektiv.
Gegenstands-Fotografie demnächst
Portrait-Fotografie demnächst
Bei Blende f8
Landschafts-Fotografie
Das erste Bild ist ein Panorama-Bild aus 8 Einzelbild zusammengesetzt. Das zweite ist ein Einzelbild. Ich habe immer manuell fokussiert (oberes / untere Drittel) und die Blende auf f8 eingestellt.
Hier sieht man, dass sich das Rikenon-Objektiv nicht verstecken muss. Die Schärfe ist durchgängig. Die Farben und Kontraste kommen auch hier, wie beim Blumenbild, mit dem Canon-Objektiv intensiver rüber. An der Farbtemperatur habe ich nicht gedreht. Das Bild mit dem Canon-Objektive ist blaustichiger. Aber dies lässt sich mit Lightroom nach Geschmack anpassen.
Architektur-Fotografie demnächst
Fazit: demnächst